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Exzellenzcluster e-conversion: Grundlagenforschung für die Energiewende

22.05.2025

Wie lässt sich Energie nachhaltiger und effizienter umwandeln? Der Cluster ist eine Innovationsplattform, auf der Forschende nach neuen Lösungen für Photovoltaik, Katalyse und Batterien suchen.

Innovationsplattform: In den Labors von e-conversion | © Stephan Höck / LMU

Diese Kurve zeigt klar nach oben: Ein gutes Drittel im globalen Strommix stammt mittlerweile aus erneuerbaren Energiequellen – Tendenz steigend, vor allem bei der Solarenergie. Und knapp ein Siebtel des globalen Bedarfs an Primärenergie weltweit lässt sich mit Erneuerbaren decken. Das sah vor ein paar Jahren noch deutlich schlechter aus.

Andererseits muss der Einsatz fossiler Brennstoffe dramatisch zurückgefahren und durch Erneuerbare bald ersetzt werden, um die Klimakrise zu begrenzen. Dabei wird der Strombedarf in den kommenden Jahren weiter steigen, die E-Mobilität beispielsweise wird sich weiter durchsetzen und der weltweit beginnende Boom an Künstlicher Intelligenz kann den Strombedarf der Rechner explodieren lassen. Mit den aktuellen Technologien allein, so viel steht fest, werden sich die Probleme nicht lösen lassen.

Das ist das globale Setting, in dem Frédéric Laquai und Achim Hartschuh arbeiten – an grundlegenden Fragen der Energieumwandlung, daran, welche intelligenten und nachhaltigen Lösungen für Photovoltaik, katalytische Verfahren und Batterien die Energiewende möglich machen könnten. Die beiden LMU-Wissenschaftler sind Professoren für Physikalische Chemie und Sprecher des Exzellenzclusters e-conversion, der jetzt in eine zweite Runde geht. Hartschuh war zuletzt der Vertreter der LMU im Sprechergremium des großen Forschungsverbunds, den die Technische Universität München und die LMU gemeinsam stemmen. In den kommenden Jahren übernimmt Laquai, Experte für die Spektroskopie von Energiematerialien, Hartschuhs Part. Für die TUM sind Jennifer Rupp, Professorin für Festkörperelektrolyte, und Ian Sharp, Professor für Experimentelle Halbleiterphysik, die Forschenden, die den Cluster fortan koordinieren. Dem Sprecherteam gehört zudem Bettina Lotsch an, Chemie-Professorin und Direktorin am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart.

Neben den beiden Münchner Universitäten sind das MPI für Festkörperforschung und das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft beteiligt sowie das Deutsche Museum München. Insgesamt arbeiten an dem Großvorhaben rund 40 Principal Investigators mit ihren Arbeitsgruppen zusammen. Sie versammeln unterschiedliche Expertisen: von der Nanowissenschaft und der Quantenforschung über Halbleiterphysik und Materialwissenschaft bis zu Computationswissenschaft und künstlicher Intelligenz. Der Verbund fußt nicht zuletzt auf den Erkenntnissen der Nano-Initiative Munich, eines Exzellenzclusters der ersten Stunde. Obendrein baut der Cluster ein weltweites Kooperationsnetzwerk mit einschlägigen Forschungszentren, zum Beispiel des globalen Südens, weiter aus.

„Über unser gegenwärtiges Energieszenario hinausgehen“

Das gemeinsame Ziel ist es, nachhaltige Konzepte für Energieumwandlung und -speicherung, neue Materialien und Systeme zu entwickeln. Die Arbeit von e-conversion, heißt es programmatisch, ziele also darauf ab, „über unser gegenwärtiges Energieszenario hinauszugehen“. Ein wesentlicher Teil der Energiewende vertraue immer noch auf eine kleine Anzahl von Konzepten. Die wiederum basierten nur auf einer Handvoll von Materialien, „von denen viele kritisch oder nicht nachhaltig sind“.

„Neue Lösungsansätze“ finden, die tragfähig sind: „Wir liefern keine schnellen Lösungen. Aber unsere Grundlagenforschung zielt auf Energietechnologien, die die Zukunft prägen“, sagt Frédéric Laquai.

© Stephan Höck / LMU

Reichlich viele Herausforderungen also. Der Exzellenzcluster sieht sich hier als eine Innovationsplattform und verfolgt einen breit interdisziplinären, „horizontalen“ Ansatz, mit klarem Fokus auf Grundlagenforschung. Für Hartschuh und Laquai ist das genau der notwendige Blick von oben, um nicht nur auf einzelne Technologien zu fokussieren, sondern auch „neue Lösungsansätze“ zu finden, die tragfähig sind. „Wir liefern keine schnellen Lösungen. Aber unsere Grundlagenforschung zielt auf Energietechnologien, die die Zukunft prägen“, so Laquai.

Welche Synergien das breitgefächerte Konzept freisetzen kann, erzählt Hartschuh an einem Beispiel. So haben zwei Teams von LMU und TUM erst kürzlich einen besonders effektiven Absorber, eine Art künstlichen Lichtfänger, entwickelt. Dieses Konstrukt soll helfen, photokatalytische Anwendungen, bei denen Licht in chemische Energie umgesetzt wird, zu verbessern. Dass sie für diese Lichtantenne auch das sogenannte DNA-Origami einsetzten, um aus DNA-Material eine passende dreidimensionale Struktur im Nanomaßstab zu bauen – darauf wäre mit disziplinärem Silo-Denken wohl niemand gekommen, mutmaßt Hartschuh.

Was sich an den Grenzflächen abspielt

Was aus Sicht Hartschuhs und Laquais aber vor allem für den synergetischen Ansatz spricht: In der Energieforschung gebe es zwar deutlich unterschiedliche Materialklassen, aber die grundlegenden Mechanismen seien sehr ähnlich. So laufen die Prozesse der Energieumwandlung, die Trennung von Ladungsträgern oder der Transport von Ionen oft an Grenzflächen ab – ganz gleich, ob in Batterien oder Photovoltaikzellen. Um zu verstehen, was an solchen Nahtstellen abläuft, warum dort Rekombinationsverluste etwa, Widerstände und andere Limitationen auftreten können und wie sich die Anregungs- und Energieumwandlungsprozesse perspektivisch besser kontrollieren lassen, dafür ist der Blick in die atomaren Details notwendig.

Um die komplexen Vorgänge besser zu verstehen, haben die Forschenden des Clusters zunächst Modellsysteme unter die Lupe genommen. In der zweiten Phase, die nun beginnt, wollen sie „realistischere Energiesysteme“ im Detail untersuchen. Dafür haben sie in der ersten Förderperiode ein ganzes Portfolio von Untersuchungsinstrumenten entwickelt, hochauflösende und ultraschnelle Mikroskopie- und Spektroskopieverfahren, um die Modellsysteme sozusagen bei der Arbeit zu beobachten und sie so besser zu verstehen. Dieses Methodenarsenal können sie nun noch spezifisch verfeinern.

„Alles muss am Ende durch den Filter der Nachhaltigkeit“, sagt Achim Hartschuh. Dabei spielen Umweltverträglichkeit, Material- und Energieeinsatz sowie Haltbarkeit ebenso eine Rolle wie Effizienz, Verfügbarkeit, Massentauglichkeit und Kosten.

© Stephan Höck / LMU

Nach wie vor steht bei e-conversion auch die Suche nach geeigneten Materialien auf dem Programm. In der Photovoltaik etwa kann das weitverbreitete Silizium als Halbleitermaterial beispielsweise „aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften nicht effizienter als maximal 30 Prozent“ sein, sagt Frédéric Laquai. Sogenannte Tandemsolarzellen, bei denen die Kombination mit einer weiteren Materialklasse für eine effizientere Lichtumwandlung sorgt, „können dagegen auf einen Wirkungsgrad von bis zu 42 Prozent kommen“, da sich durch eine geeignete Ergänzung das Spektrum der verwertbaren Wellenlängen verbreitern und auch die Energie des Lichts besser nutzen lässt.

Neben organischen Halbleitermaterialien untersuchen die Forschenden von e-conversion dafür vor allem die Materialklasse der sogenannten Perowskite. Diese lassen sich leicht aus Lösung herstellen und als dünner Film aufbringen. Die effizientesten Materialien enthalten allerdings meist Blei, als eine Alternative gelten derzeit zinnhaltige Perowskite. Doch die Suche nach schadstoffärmeren Varianten geht weiter.

„Alles muss am Ende durch den Filter der Nachhaltigkeit“, sagt Hartschuh. Das gelte im Übrigen für alle Entwicklungen des Clusters. Dafür haben die Forschenden eine ganze Reihe von Kriterien, die es gegeneinander abzuwägen gilt: Dabei spielen Umweltverträglichkeit, Material- und Energieeinsatz sowie Haltbarkeit ebenso eine Rolle wie Effizienz, Verfügbarkeit, Massentauglichkeit und Kosten.

Die Entwicklung neuer Materialien beschleunigen

e-conversion soll nicht nur direkt zum technologischen Fortschritt beitragen, dort soll auch eine neue Generation von Forschenden ausgebildet werden, sagen Hartschuh (links) und Laquai. | © Stephan Höck / LMU

Die Forschenden des Clusters wollen zudem Methoden etablieren, die die Entwicklung neuer Materialien deutlich beschleunigen. „Derzeit dauert es im Schnitt 15 Jahre, bis etwas, das im Labor funktioniert, auf den Markt kommt“, sagt Hartschuh. Darum widmet sich eine der „Research Areas“ im Cluster dem Faktor Zeit: Sie soll Möglichkeiten aufzeigen, etwa in Hochdurchsatz-Screenings ein ganzes Set von Experimenten zur Synthese und Charakterisierung von geeigneten Materialien leicht variiert parallel zu fahren, mithilfe von Machine Learning agile Workflows für das Design von Materialien und zur Optimierung von Reaktionsumgebungen zu schaffen – alles mit dem Ziel, Forschung und Entwicklung zu beschleunigen. Am Ende soll nicht nur eine Daten- und Support-Infrastruktur stehen, die beispielsweise automatisierte Labore und die virtuelle Arbeit mit digitalen Zwillingen ermöglicht, sondern auch eine neue Generation von „dateninformierten Forschenden“, die kreativ mit solchen Methoden umzugehen gelernt hat.

Die Forschenden suchen noch nach anderen Wegen, die Energie des Lichts zu speichern – in Form von Brennstoffen, die sich auch transportieren lassen. Wasserstoff zum Beispiel. Wenn er verbrennt, entsteht nur Wasser als „Abfallprodukt“. Eine saubere Sache also – bräuchte die Produktion auf herkömmlichem Wege nicht viel Energie, die heutzutage noch in der Regel aus fossilen Brennstoffen kommt. So gesehen wäre es eine elegante Lösung, die Energie des Sonnenlichts in photokatalytischen Verfahren direkt dafür einzusetzen – vor allem, wenn dies ohne die Zwischenschritte der Stromerzeugung und die anschließende Elektrolyse möglich wäre, bei der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird.

Bei e-conversion geht es auch um sogenannte plasmonische Verfahren, bei denen speziell gestaltete Nano-Oberflächen mit Partikeln aus Gold das Licht wie mit einer Superlinse besonders effektiv einfangen können. Sind diese Antennen zusätzlich mit Platinpartikeln versehen, treiben sie unter Lichteinstrahlung beispielsweise die Umsetzung von Ameisensäure in Wasserstoff an. Diese Photokatalyse ist mit bestimmten Materialkonstellationen im Labormaßstab auch vergleichsweise effizient. Andere Versuche laufen, um auf ähnliche Weise andere chemische Reaktionen anzukurbeln, die in herkömmlichen Verfahren ebenfalls – meist fossile – Energie verbrauchen.

In einem Material: Licht absorbieren und Energie speichern

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Solche hybriden Energiekonzepte zu entwickeln, ist Aufgabe in einer weiteren Research Area des Clusters. Ein Ansatz ist die „Solarbatterie“, die Sonnenlicht in ein und demselben Material absorbieren und die Energie speichern kann. Vorerst ist die Effizienz nicht berauschend, aber der Einsatz anderer sogenannter optoionischer Materialien könnte sie deutlich verbessern – erst einmal im Labormaßstab. Forschende der TUM und des MPI für Festkörperforschung verfolgen gleichzeitig das Ziel, im neu gegründeten SolBatZentrum die Technologie weiter voranzubringen.

Mit e-conversion wollen die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur direkt zum technologischen Fortschritt beitragen, sondern auch eine neue Generation von Forschenden – mehr als 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – ausbilden. Außerdem planen sie einen neuen Master-Studiengang zur Energieforschung. Insgesamt rund zwei Drittel der gesamten Fördermittel sollen dem Nachwuchs zur Verfügung stehen. Vorgesehen ist außerdem eine breitgefächerte Wissenschaftskommunikation, die sowohl die Öffentlichkeit als auch Entscheidungsträger ansprechen und einbinden soll. Ein Beitrag der Forschenden, um die Akzeptanz für die Energiewende in der Gesellschaft zu erhöhen und Desinformation vorzubeugen.

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